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Gebetbuch – Proprium 1 – Seite 538
Thema: Hinauf nach Jerusalem
- liturgische Farbe: grün
Wochenspruch:
Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird sich alles erfüllen, was bei den Propheten über den Menschensohn steht.“ (Lk 18,31)
Tagesgebet:
O Herr. Du hast uns gelehrt, dass ohne Liebe all unser Tun keinen Wert hat. Sende Deinen Heiligen Geist und gieße in unsere Herzen jene überaus vortreffliche Gabe der Liebe, die das wahre Band des Friedens und aller Tugenden ist, und ohne die jeder Lebende vor Dir als ein Toter gilt. Verleihe dieses um Deines einzigen Sohnes Jesu Christi willen. Amen.
Lesungen:
AT: Amos 5,21-27; Psalm: Ps 31; Epistel: 1 Kor 13; Evangelium: Lk 18,31-43
Predigt zum Download:
Äußerer Gottesdienst ohne Herzensopfer? Amos 5,21-24
Amos, einer der ersten Schriftpropheten, lebte zwei Stunden entfernt von Bethlehem, in Theko. Man schreibt etwa das Jahr 750 vor Christus. Obwohl er im Gebiet Judas lebt, wird er von Gott in das Nordreich, das damalige10 Stämme-Gebiet, gesandt. Anstatt in Jerusalem anzubeten hatte man in Bethel ein nationales Gegenheiligtum errichtet. Der Grund: Damit die Menschen zu den drei Hauptfesten: Passahfest, Pfingstfest und Laubhüttenfest nicht zum rechten Tempel Gottes nach Jerusalem gingen. Denn, wenn dies geschehe, würde der Nordkönig, Jerobeam II., sein Volk an Jerusalem und König Usija verlieren.
Warum wurde Amos dorthin gesandt? Der moralische Zustand des großen Volks war auf dem untersten Stand angelangt, und er sollte sie im Auftrag Gottes warnen, dass der Tag des Herrn kommt. Es würde ein dunkler Tag werden, alle, auch der König, werden in die Verbannung in den Norden hinweggeführt werden. Das geschah etwa im Jahre 722 v. Chr. Der Grund für diese gerechte Strafe Gottes war ihr unmoralisches Leben. Sie liebten das Böse und hassten das Gute. Amos sagt:
Darum, weil ihr die Armen unterdrückt und nehmt von ihnen hohe Abgaben an Korn. … Denn ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind, und eure Sünden, die so groß sind, wie ihr die Gerechten bedrängt und Bestechungsgeld nehmt und die Armen im Tor unterdrückt. Darum muss der Kluge zu dieser Zeit schweigen; denn es ist eine böse Zeit. Suchet das Gute und nicht das Böse, auf dass ihr leben könnt, so wird der HERR, der Gott Zebaoth, bei euch sein, wie ihr rühmt. Hasset das Böse und liebet das Gute, richtet das Recht auf im Tor, vielleicht wird der HERR, der Gott Zebaoth, doch gnädig sein denen, die von Josef übrigbleiben.
Und bei alledem gingen sie auch noch regelmäßig in ihr Heiligtum, feierten die drei großen religiösen Feste und auch die anderen zusätzlichen Feiertage. Und nicht nur das. Sie waren stolz darauf, einen Gottesdienstchor mit Begleitinstrumenten zu besitzen. Und wie diese die Psalmengebete sangen. Da gab es nichts Besseres als in Bethel. Doch Gott sagt: Tu mir weg das Geplärr deiner Lieder und das Spiel deiner Psalter. Warum?
Weil Israel einen äußerlichen Gottesdienst feierte. Formell war er recht feierlich und gut. Doch dieser Gottesdienst ist bei ihnen im Innern unecht. Es war ein herzloser Gottesdienst, ein heucherlischer Gottesdienst, ohne geistlichen Inhalt, ohne sittliche Grundlage und ohne heiliges Leben der Teilnehmer.
Diese Menschen dachten so wie manche heute: Wenn ich ein paar mal im Jahr zum Gottesdienst gehe, auch noch die schönen Lieder mitsinge, dann steh’ ich gut vor Gott da, dann werden mir meine Sünden vergeben, dann habe ich Anteil an den Segnungen, die Gott dem Gottesvolk versprochen hatte, dann komme ich in den Himmel und bin gerettet.
Denken nicht auch viele Menschen heute noch so in der Kirche oder außerhalb der Kirche? Ich gehe ab und zu in den Gottesdiensten und alles ist dann automatisch geregelt. Gott wird mir „ex opere operatio“ (automatisch) das ewige Leben geben, weil ich äußerlich mit dem Sakrament Taufe oder Abendmahl – Kommunion – in Berührung komme, oder auch, weil ich immer zu Weihnachten oder manchmal zu Ostern in die Kirche gehe.
Wird Gott deshalb automatisch wegen solch einem Gottesdienstbesuch segnen und bestätigen: Ihr bekommt deswegen den ganzen Bundessegen? Oder sollten wir uns nicht fragen: Ist dieser Segen nicht auch an Verpflichtungen geknüpft?
Wenn Gott in V. 25 sagen lässt: „Habt ihr vom Hause Israel mir in der Wüste die vierzig Jahre lang (nur) Schlachtopfer und Speisopfer geopfert? Eigentlich ist dann die Antwort nein! Denn nach kurzer Zeit hörte schon das Passahfest auf und wurde erst wieder nach dem Einzug ins Gelobte Land unter Josua gefeiert. Auch die allgemeinen Opfer nahmen in jener Zeit immer mehr ab. Aber eigentlich müsste dies nach dem hebräischen Sinn etwa so heißen, wie es auch die Gute Nachricht es ausdrückt: „Habe ich von euch Israeliten während der vierzig Wüstenjahre vielleicht Mahlopfer und Speisopfer verlangt? (Und wirklich nicht anderes?) Oder, anders ausgedrückt: Habe ich nur äußere Brandopfer verlangt? Nein, ich wollte damit ihr Innerstes ansprechen! Haben sie damals denn nicht ihr Herz mitgeopfert? Nein! Wenn aber alle jene Opfer aber herzlose Opfer waren, dann will sie Gott einfach nicht annehmen! Denn schon der Prophet Micha sagt, worauf es zentral ankommt:
Mi 6,8 Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Aber genau dies taten jene Israeliten nicht: Sie hielten nicht Gottes Wort, sie übten nicht Liebe, sondern unterdrückten ihre Mitmenschen und nutzten sie aus. Sie waren nicht demütig vor ihrem Gott. Der Römerbrief spricht davon, dass wir geistliche Opfer oder folgerichtige Opfer bringen sollen, nämlich, dass wir unsere Leiber zum lebendigen Opfer geben. (Rö 12,2).
Es geht also um unseren Alltagsgottesdienst. Auf den kommt es an. Von Montag bis Samstag. Deshalb sagt auch der Jakobusbrief 1,27: Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott, dem Vater, ist der: die Waisen und Witwen in ihrer Trübsal besuchen und sich selbst von der Welt unbefleckt halten.
Worin besteht der wirkliche Gottesdienst? Der wahre Gottesdienst äußert sich nicht zuerst im Hören oder Singen – auch nicht an erster Stelle im Bibellesen, sondern im Tun, im Alltagsgottesdienst der Hände und des Herzens.
Wovon sprechen wir hier? Der wirkliche Gottesdienst geschieht in den Handlungen und Beziehungen des Alltags. Der äußere und formelle Gottesdienst ist zwar wichtig, aber nur gültig, wenn er in sittlichen Handlungen in die alltägliche Praxis umgesetzt wird, durch unser Leben bestätigt wird.
Die Grundlage für den wirklichen Gottesdienst liegt aber am Berg Sinai. Dort gab Gott durch Moses sein Gesetz, seinen guten Willen an sein Volk. Sie sollten ihm Gehorsam leisten und nach dieser Weisung in Heiligkeit oder Erneuerung leben. Der Sinaikodex ist die Grundlage für das sittliche Verhalten des Volkes und jedes Einzelnen auch heute. Deshalb liegen auch die 10 Gebote im Zentrum im Bundeszelt und in dem Kasten des Bundes. Die Segnungen Gottes waren an das Tun geknüpft. Wenn Menschen gehorsam sind, würde sie Gott mit allem Segen des Himmels segnen. Danach erst gab Gott seinem Volk den herrlichen Gottesdienst, die Pläne für sein Heiligtum, seine Stiftshütte, seine Opfer, Feste und Lieder.
Röm 9,3 sagt: … den Israeliten…, denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und der Bund und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen.
Für Israel gehören Gesetz und Gottesdienst und die Verheißungen in einer Linie zusammen. Gott kann aber nur dann segnen, wenn sein Volk nach seinem geoffenbarten Willen lebt und von dieser Grundlage herkommend einen schönen Gottesdienst feiert. Da aber Israel nicht Gottes Willen tat, nicht gerecht lebte, noch seine Bürger danach lebten, hatte Gott ihren feierlichen Gottesdienst verworfen.
Deshalb gilt, auch wenn heute unser Handeln, unsere Ethik mit dem Nächsten nicht stimmt, nützen uns weder die biblischsten Gottesdienste noch die längsten, persönlichen Bibel- und Gebetszeiten. Da ist niemand vor Gott sicher. Aber auch umgekehrt: Allein ein persönliches ethisches und sittliches Verhalten in der Nächstenliebe und im Dienst der Gesellschaft ohne regelmäßige Teilnahme am christlichen Gottesdienst, ohne das Kreuz Christi und die christlichen Bekenntnisse, ohne das Hören der Predigt, ist nichts anderes als eine schöne humanistische und atheistische Religion. Denn ohne Kreuz und die Festzeiten um das Kreuz und Festhalten an der Überlieferung der Apostel, können diese Menschen nicht zur Kirche Christi gehören. Man kann nicht einfach Gott in der Natur oder nur eigenem Haus suchen und wirklicher Christ sein. Denn nur durch die Kirche Christi und seine Diener kommt das Heil zu den Fernen, und nur in dieser Kirche Christi wird man dem Heil nahegebracht und auch in dieser Gemeinschaft zum Heil bewahrt.
So wollen wir festhalten:
Die äußere Form des Gottesdienstes muss mit der inneren sittlichen Herzenshaltung übereinstimmen. Gott wird alle prunkvollen Gottesdienste auch alle fetzigen, begeisternden und uns bewegenden verwerfen, wenn wir nicht im Alltag gehorsam seinen Willen tun. Es nützt nichts, regelmäßig zu Weihnachten und Ostern im Gottesdienst zu erscheinen oder auch zum Abendmahl zu gehen, wenn ich im Unrecht lebe und Unrecht tue. Dann ist unser Leben Gott ein Gräuel.
Gott will aber beides: Gottesdienst als Feier dessen, was man glaubt und Gottesdienst im Alltag was man praktiziert. So will er seinen Segen geben: Er will durch unser Leben Gerechtigkeit und Recht im Alltag entstehen lassen, auch in der Gesellschaft, in der Politik und gesamten Marktwirtschaft. Da soll es auch keine Doppeleinkünfte geben für Politiker, auch keinen Schiedsrichter- und Dopingbetrug, aber auch kein Leben auf Kosten anderer, sondern ein gerechtes Auskommen für alle und fleißige Arbeit für alle. Soziale Gerechtigkeit und persönliche Moral sollen jedoch alle Aspekte und Beziehungen unseres Lebens durchdringen.
Und das Grundmotiv dafür muss die Liebe sein, Liebe zu Gott und den Mitmenschen. Denn ohne die Liebe ist jeder Gottesdienst und jede Tat nichts nütze.
Bischof.Meyer@rekd.de